Plattenromantik, Käse und ein Alibi

12 Okt

Wow. Jetzt habe ich mich selbst überrascht: Die unwichtigsten Schlagwörter der Woche sind vereint in einer Überschrift.
„Der Woche“ ist falsch. Das mit der Plattenromantik ist schon ein bisschen länger her, aber ich dachte, ich krieg eine Überleitung hin, die irgendwie passt. Also. Hangeln wir uns an den Begriffen entlang!

Plattenromantik

Vor einiger Zeit bekamen Olga und ich Durst. Nicht so, wie ihr das wahrscheinlich wieder von Leuten in Polen erwartet – nein, eher Kulturdurst. So sind wir also furchtbar touristisch zum Touristen Zentrum am Rynek gegangen und haben die freundlichen Verkäufer gefragt, wo es für arme Freiwillige gratis Ausstellungen gibt. Und – ohaaa – fast jedes Museum hier hat wenigstens einen Tag, an dem alle für nichts gucken kommen können.
So machten wir uns auf den beschwerlichen Weg mit der tramwej und kamen eine Stunde vor Zu-mach-Zeit fast verdurstend beim Museum of Contemporary Art Worclaw an. Die Kunst war gut, wirklich – viele Fotografien haben mir echt gut gefallen. Die Installationen konnten sich auch sehen lassen. Und, dass die Museumsmitarbeiter sich auf einigen Etagen eingeschlossen haben, um ungestört ein Nickerchen zu halten – bis ein ukrainisches und ein deutsches Mädchen randalierten, um sich die Ausstellung ansehen zu können, ist auch zu verkraften. Aber! Dieses Musem hat einfach mal kein einziges Fenster! Das hat mich echt fertig gemacht. So viel Kunst, natürlich auch Abgedrehtes, Ekelhaftes (Bild aus Haaren. Beim Badputzen gibt es ja wohl wenig ekeligeres, als Abflusshaare.) – und keine einzige Möglichkeit, zu fliehen, so blicksmäßig.
Sollte da draußen jemand von euch das Geld und die Idee haben, ein Museum zu eröffnen – denkt bitte an die Fenster.
Der Himmel, der uns dann draußen entgegenglühte, versöhnte mich dann wieder. Die Platten vor dem Museumsgebäude erstrahlten in romantischem Rosa – Plattenromantik.

rosa-roter Plattentraum

romantische Platte

Käse

Eine hammerspannende Woche liegt hinter mir. Wobei. Nicht wirklich. Sie klingt noch nach. Die verschiedensten Akzente im Englischen hallen noch in meinen Ohren – Revue passiert.

„I will tell you a story“ ist der Titel eines Workshops, den das Edith-Stein-Haus ausgerichtet hat. Und hätten die Wände des Salons Münder gehabt, sie hätten permanent offen gestanden, bei den Geschichten, die da erzählt wurden.
Je 7 Teilnehmer/innen unter 30 und über 50 aus Slowenien, Bulgarien, Tschechien, der Türkei, Finnland, Spanien, Italien kommen zusammen, um sich mit Künstlern aus London illustrativ Geschichten zu erzählen.

Was ich hier sehr genieße, ist, dass ich hier mit Leuten aus ganz Europa arbeiten und sie kennenlernen kann. So lerne ich vielleicht langsamer Polnisch – dafür aber, was manche Türken über deutsche Integrations – oder Adaptionspolitik denken, wie eine bulgarische Liebesgeschichte in einem Berglift enden kann, wie der Blick aus dem Schlafzimmerfenster einer finnischen jungen Frau aussieht, wie man sich als Sandwichkind mit 7 älteren und 7 jüngeren Geschwistern fühlt und wie man selbst italienischen Mozzarella herstellt.

Das ist nicht einfach nur Käse, das ist Leben, Leidenschaft.
So war dieser Workshop auch nicht einfach nur ein bisschen Skizzieren und Rummatschen, sondern manchmal wie „Einer Großmutter im Ohrensessel mit Tee beim Märchenvorlesen Zuhören“.

Am Liebsten würde ich hier all meine Eindrücke mit euch teilen, aber das geht nicht. Einmal, weil es den vertrauten Rahmen sprengen würde. Die Offenheit, mit der die Leute von manchmal traurigen oder schmerzhaften Erfahrungen erzählt haben, gilt sicher nicht dem Internet, sondern dieses unglaublich aufgeschlossenen und interessierten Zuhörern.
Und außerdem, das wäre auch einfach too much. Die Woche war so voll von toll- tut mir leid für euch, aber das Leben ist nun mal manchmal Käse.

seriously.

Alibi

Am Dienstag wurde ich öffter als sonst gefragt, was ich denn studiere. Und es war deutlich komplizierter zu erklären, dass ich gerade überhaupt nichts studiere, weder in Wroclaw, noch in Deutschland.
Dienstag war ich nämlich das erste Mal bei der Probe des Uni-Chors „Gaudium“ der uniwersytet przerodziny Wroclaw.
Und Mittwoch direkt wieder! Viereinhalb Stunden in der Woche erklingt mein Stimmchen mit ca. 40 anderen in der Aula Jana Pawla II.
Das tut verdammt gut nach stundenlanger Büroarbeit. Außerdem zwingen mich die lieben Leute da zum Polnischstammeln. Es kommt zwar vor, dass ich laut einsetze, wenn nur die panowie, also Tenor und Bass, singen sollen – aber mal ehrlich, den Unterschied zwischen panowie und panie kann man sehr leicht überhören!

Mittwoch nach der Probe ging es dann ins Alibi, ein Studentenclub, in dem nach der Probe oft noch integracja stattfindet. Ja, ich kann mir euren Gedanken „Die Polen haben fürs Saufen aber auch ganz schön viele Begriffe“ vorstellen, aber – ach, denkt doch, was ihr wollt. Ich hab ein Alibi, ich war bim Chor und das ist multiphantastisch!

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