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Alltag trudelt ein

12 Sept

In der Tat, der zweite „richtige“ Arbeitstag ist schon vorbei. Ich bin mir noch unschlüssig darüber, ob ich dieses „schon“ so klasse finde. Ich meine, ich hatte jetzt mehrere Monate Schmalspurarbeit und Hardcorechilling – ich will gefordert werden!
Stattdessen sitze ich im Büro, hinter mir die Kaffeemaschine und der Kopierer, aber nicht mal die geben mir etwas zu tun. Okay, ich übertreibe: Man rührt sich hier seinen Kaffee aus Instantpulver zusammen und fertig ist die Brühe, das mit der Kaffeemaschine war also gelogen.

Bevor ich mitleidige Nachrichten bekomme, oder so etwas Überflüssiges: Es ist mein zweiter Arbeitstag, meine Erwartungen können quasi nicht erfüllt werden, weil ich mir keine gemacht habe und ich sehe das Ganze recht locker. Kommt Zeit, kommt Arbeit.
Heute habe ich in ungefähr einer halben Minute Tickets für eine Workshopteilnehmerin gefunden, die sich viel zu teure gesucht hatte, die die Edith-Stein-Gesellschaft nicht bezahlen wollte. Job fullfilled.
Abgesehen davon durfte ich die Anmeldungen des letzten Tandemsprachkurses auswerten und die Vorerfahrungen der Teilnehmer zusammenfassen. Es hat mich eine Stunde gekostet und dann war der Job fullfilled.

Meine Mentorin und „Arbeit“-geberin Monika ist morgen und übermorgen auf einem Seminar, aber sie hat uns den Auftrag gegeben, uns ein Projekt auszudenken. Jeder für sich, damit wir unabhängig von einander sein können. Vor meinem viel zu euphorischen inneren Auge spielt sich da was ganz Großes ab! Theater, Musik und Philosophie mit Jugendlichen oder älteren Leuten aus Deutschland, Polen, der Ukraine. Olga wünscht sich einen fetten Austausch – unter was für einem Thema er stattfindet, ist ihr egal. Mal ehrlich, es ist so viel sinnvoller, das zusammen zu machen, als jeder für sich, oder nicht?
Andernfalls: Uaaah, Überforderung!

Ab nächster Woche, wenn Monika wieder bei uns ist, werde ich versuchen, die Balance zwischen Unter- und Überforderung zu finden. Montag habe ich meinen ersten Deutschschüler – ich habe keine Ahnung, auf was für einem Niveau er ist, wo genau sein Problem ist und wie wir uns verständigen werden. Ich nix richtig Polnisch, er kaum Deutsch, kein Englisch. Das wird ein Fest für meine Gestik! Aber halb so wild. Wenn ich daran denke, dass ich demnächst ganze polnische Schulklassen mit fragenden Gesichtern vor mir sitzen habe, ist ein so ein Junge, der vielleicht in der Schule nicht ganz so gut in Deutsch ist, ein Klacks!

Trudeliger Alltag. Heute morgen war ich das erste Mal Einkaufen mit Sprechen. Das war vorher nicht nötig, ich hab die Sachen aufs Band gelegt und fertig, alles easy.
Aber heute.. ich habe keinen Korb gefunden! Und ich brauchte Sachen fürs Frühstück, konnte also nicht alles festhalten. Eine Alternative zu „Torba“ ist mir nicht eingefallen, ich fragte als die freundliche, vielleicht etwas unausgeschlafene Supermarktslady, wo sich die Taschen (eckige, korbige Handbewegung) befänden. Ihr Autoblick war ziemlich verwirrt, aber dann hatte ich schließlich einen roten Einkaufskorb in der Hand und war glücklich.
Der Besuch der urigen Bäckerei um die Ecke intensivierte mein Glück, halleluja. Es gab so unglaublich viel Auswahl, darauf war ich nicht vorbereitet – mit so einer Fülle von Backwarentraum hatte ich nicht gerechnet. Und – Halleluja again – dunkles Brot mit richtigen, echten Körnern! Mein Bäckereiengel fragte mich was, ich antwortete, sie verstand und dann reagierte sie sogar auf mein „Schneiden, bitte“ (leider weiß ich nicht mehr, was ich exakt gefaselt habe) ohne ausschweifende Gebärden. Ein chleb rustikalny lag schlussendlich in meinen Händen. Wie ein Baby schaukelte ich es nach Hause.
Noch beeindruckender muss ich beim sklep für owoce und warzywa gewesen sein. Voller Stolz und vermutlich voller Fehler fragte ich nach den besseren Äpfeln. Aber was sind schon ein paar Grammatikpatzer gegen herrlich saftige Äpfel? Wer schweigt, kauft Mehliges, davon bin ich überzeugt.

So trudeln wir dahin, der Alltag und ich. Es geht uns gut, wir werden uns noch dick anfreunden hier im wundervollen Wroclaw. Naturalnie!